Tourismuswahn

Gibt es in diesem Land tatsächlich noch jemanden, der nicht verstanden hat, dass es genug ist mit dem Tourismus, mit den Touristen, mit den touristischen Einrichtungen?

Es ist August. Schönster Sommer. Doch der Dorfbäcker sieht Samstag morgens schon völlig erledigt aus. „Es ist unmöglich. Ich schaffe diese Arbeit kaum noch. Wie soll ich bloß weitermachen?“. Freunde und Bekannte sind genervt: „Das ist doch alles nicht mehr normal! Mit dem Auto brauche ich fast eine halbe Stunde für eine Strecke, die ich normalerweise in zehn Minuten schaffe. Überall Stau, Autos, Abgase. Eigentlich kann ich mich nur noch zuhause verschanzen.“ Die Almwirtin ganz erschrocken: „Was ist denn heute nur los? Diese ganzen Menschen! Sowas habe ich noch nie erlebt. Mir wird Angst und Bange.“ Und dann die junge Generation. Redet eigentlich jemals jemand mit denen? Hört denen überhaupt jemand zu? Denn die Jugend hat schon lange keine Lust mehr. Der hängt der (Über-) Tourismus zum Hals heraus. „Das ist doch alles nicht mehr schön“, haben mir welche ganz resigniert anvertraut. „Das ist doch kein Leben. Ich will doch nicht Jahr um Jahr im Hamsterrad schuften und an meinen Kindern und meiner Familie vorbeileben. Darum geht es doch nicht im Leben!“

Und so lautet die Frage ganz einfach: Was soll das alles? Für wen wird da eigentlich noch die ganze Zeit gebaut und investiert und spekuliert?

Die ältere Generation argumentiert immer noch, dass man sich doch etwas aufbauen müsste. Und sie belächelt die jüngere Generation, die es wiederum satthat, von diesen pseudo-ökonomischen Theorien indoktriniert zu werden. Die sich ein von Werten erfülltes Leben wünscht, statt ausschließlich unternehmerische Ambitionen zu haben. Die ein gesundes Gleichgewicht sucht zwischen einem Einkommen, das ein ordentliches Leben ermöglicht, und Zeit für sich selbst, die Familie und die anderen. Die die (teilweise) noch intakte Natur genießen möchte. Denn was kann sich mehr wünschen von einem erfüllten Leben.

Die Touristiker dagegen: Sie stehen alle kurz vor dem Burnout. Sitzen in ihren Luxuskarossen im Stau und betrachten mit besorgter Miene all ihre Investitionen, all diese Schuldenhaufen, die sie in den Jahrzehnten „aufgebaut“ haben. Und die sie innerlich korrodieren. 

Was soll eigentlich mit den ganzen Hotelkasernen geschehen, wenn irgendwann – nehmen wir es einfach mal an – die Touristen ausbleiben? Die jüngere Generation wird von uns eine zerfressene, ausgebeutete, traurige Landschaft erben. Sie selbst trifft keine Schuld dafür, aber ausbügeln wird sie es müssen.

Der Tourismuswahn, der in Südtirol tobt, ist einfach nur eines – unverantwortlich.

Elide Mussner Pizzinini

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